Nun ging es im erweiterten Kontext des im Frühjahr abgeschlossenen UNIGIS-Masterstudiums auch endlich einmal in die Hauptstadt: Für das AGEO Forum 2024 und die Verleihung der Preise im Rahmen des AGEO Awards. Wegen der Unwetterschäden zwischen St. Pölten und Wien war die Anreise per Bahn etwas holprig, zumal es ja eh schon lange dauert von Hamburg aus. Dafür gab’s aber eine Pause mit Mini-Stadtbesichtigung in Linz und eine schöne Fahrt durch den Wienerwald anstatt den seit einigen Jahren üblichen Weg vom Tullnerfeld in Maulwurfsmanier unten durch.
Mein persönlicher Grund für diese Kurzreise war meine Teilnahme am AGEO Award 2024 mit meiner Masterarbeit Crossing streets between intersections – Integration of non-dedicated mid-block crossings into a pedestrian network graph. Die Verleihung fand am 15.10.2024 im Rahmen des AGEO Forums in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften im Herzen der Donaumetropole statt.
Im Forum stand das Thema GeoKI im Fokus, mit einer Reihe spannender Vorträge aus Forschung und Praxis. Es wurde zum Beispiel aufgezeigt, wie erste Bundesländer ihre eigenen KI-gesteuerten Chatbots entwickeln – mit KärntenGPT als Vorreiter –, wie KI bei der Bilderkennung im Rahmen von Standortbewertungen oder bei der Analyse von Big Data (anonymisierte Mobilfunkdaten) unterstützt, beim Geomarketing hilft sowie zur Erfassung und damit auch zur Ausbauplanung von Photovoltaikanlagen beiträgt (ein Projekt der Wiener Netze). Und es wurde ein Ausblick gegeben, mit den provokanten Fragen, ob KI zukünftig Geoinformatiker überflüssig macht und eigenständig Karten erstellt. Aus dem Publikum wurden eher Zweifel laut. Und es ist ja tatsächlich die Hoffnung, dass KI die Menschen nicht ersetzt, sondern ihnen als starker Partner zur Seite steht, mit Stärken und Schwächen auf beiden Seiten. Es ist auf jeden Fall eine spannende Reise, die da in der Mitte des 20. Jahrhunderts begonnen hat, dann etwas stagnierte, bevor sie in den 1980er Jahren wieder Fahrt aufnahm. Damals noch etwas eingeschränkt durch technische Leistungsfähigkeit, die dann aber freilich in den letzten Jahren mit ihren Beinahe-Quantensprüngen im KI-Bereich ein immer weniger begrenzender Faktor war.
Die Preisverleihung erfolgte vor den Vorträgen. Zusammen mit vier weiteren Absolventinnen und Absolventen österreichischer Geoinformatik-Masterstudiengänge (dreimal ebenfalls Salzburg, einmal Wien) hatte ich es auf die ersten fünf Plätze des AGEO Awards (wohlgemerkt von lediglich sieben Einreichenden) geschafft und nun sollte die finale Reihung bekanntgegeben werden. Der erste Preis ging an David Hanny für seine Arbeit „Spatiotemporal Topic-Sentiment Modeling of Social Media Data with Neural Networks“, ein junger Wissenschaftler, der nun in Linz ansässig ist. Gratulation und viel Erfolg weiterhin! Dagegen gingen die beiden zweiten Preise (einen dritten gab es nicht) an zwei (eher) alte Hasen – oder, nun ja, zumindest solche, bei denen es sich um die Abschlussarbeit eines berufsbegleitenden Zweitstudiums handelte. Übrigens beide aus Norddeutschland: Jan Morten Loës bekam ihn für seine Masterarbeit „BIM- und GIS-Integration zur teilautomatisierten Prüfung von Architekturmodellen gegen Flugsicherheitszonen am Beispiel des Flughafens Wien“ – ebenfalls Gratulation! – und ich für mein genanntes und sehr spezielles Thema für die Verfeinerung von Fußgänger-Netzgraphen.
Es war ein stimmiger Nachmittag mit vielen neuen Erkenntnissen und vielseitigem Austausch mit anderen Menschen aus der Branche. Und für mich ein weiterer wertvoller Baustein im Rahmen des nun schon ein halbes Jahr zurückliegenden Studienabschlusses. Das Paper zum Thema der Masterarbeit, das ich mit viel Elan gleich dem dem Studienabschluss begonnen habe, ist ein weiterer Baustein, aber noch in Arbeit befindlich. Hier mal ein Stillleben, das alles zusammenfasst.
Nebenbei bemerkt war es ein kurzer, aber schöner Wien-Besuch und es freute mich, dass ich bei einem netten Kommilitonen des Salzburger Studiums einen Unterschlupf fand. Ein weiterer Grund, warum es menschlich gesehen eine bereichernde Kurzreise war. Mein Faltrad war auch wieder dabei und wurde intensiv genutzt, zum Beispiel für die Fahrt zum Lainzer Tor, wo es dann während meiner Wanderung durch den Lainzer Tiergarten inklusive Besuch der Hermesvilla und einem faszinierenden Blick auf die österreichische Hauptstadt vom so genannten „Wiener Blick“ aus auf mich warten musste.
Danach fuhr ich den ganzen Weg von Lainz bis zur Inneren Stadt teilweise der Nase nach. Fazit: Wien ist definitiv ein Mekka des ÖPNV, aber in Sachen Radverkehr hinkt es gefühlt sogar Hamburg weit hinterher. Einen Horror-Ort für Radfahrende passierte ich eher unbeabsichtigt gleich zwei Mal: den Matzleinsdorfer Platz, der kein Platz ist, sondern eine autozentrierte Baustellen-Betonwüste, unter anderem wegen der jahrelangen und aktuell gerade baustellenmäßig erweiterten Verlängerung der U2 nach Süden. Auch das wäre mal ein spannendes Forschungsthema: Wie gut performt der Radverkehr in Städten mit einem extrem gut ausgebauten ÖPNV? Oder umgekehrt (siehe Münster).
Ich freue mich nach diesem Wien-Ausflug nun auf weitere Weichenstellungen und neue Projekte als Geoinformatiker!