Hier bei uns in Hamburg ist es inzwischen häufiger vorgekommen, dass vierspurige Straßen für den Kfz-Verkehr zweispurig wurden und breite Radfahrspuren an beiden Seiten erhielten. Kleine, aber feine Schritte in Richtung Verkehrswende, könnte man meinen. An den Kreuzungen passiert aber gerade just das Gegenteil: Auf jede erdenkliche Art werden zusätzliche Kfz-Abbiegespuren „herausgequetscht“, für Radfahrende und Zufußgehende so absolut unfreundliche freie Rechtsabbieger weiter ausgebaut oder mit Ampeln versehen. Die Ingenieure, die noch immer vom Auto ausgehend planen, wollen wohl den im Straßenverlauf durch Spurreduzierung weggefallenen Raum durch mehr Aufstellfläche vor den Ampeln wieder wett machen.
Dabei ist eine weitere Spezies stark vom Aussterben beroht: Die Straßeninsel. Denn es ist dieser aus Sicht vieler Straßenplanerinnen und -planer unnütze Teil des Straßenraums, der am ehesten für den Abbiegespuren-Wahnsinn geopfert werden kann. Bevor also auf Kosten von Zufußgehenden und Radfahrenden Fahrbahnen im Kreuzungsbereich ausgebaut werden (was auch viel zu oft der Fall ist – und bloß lieber nicht auf Parkplätze verzichten!!), kommen erst einmal lästige Straßeninseln weg. Die Kreuzungen werden zu irrsinnig großen, durchgehenden Asphaltwüsten mit unglaublich vielen weißen Markierungen (Hersteller von Fahrbahnmarkierungsfarbe sollte man sein!). Die für die langsameren Verkehrsteilnehmer so wohltuenden Unterbrechungen dieser unwirtlichen Räume, zumal ja oft auch noch mit etwas Grün versehen, verschwinden.
Leider erledigen ja konservativ ausgerichtete Verkehrsplaner, die rein reaktiv vorgehen, noch immer den Löwenanteil der Straßenverkehrsplanung. Ihre Denkweise ist: Aktuell ist es zu eng und zukünftig werden hier mehr Kfz erwartet, also brauchen wir mehr Platz für die Kfz an dieser Stelle. Eine nachhaltige Abkehr von dem Prinzip, stadtbildverträgliche und dem menschlichen Maßstab gerechte Teile des Straßenraums dem Ausbau von Aufstellflächen für die Kfz zu opfern, ist daher kurz- und vielleicht sogar mittelfristig nicht zu erwarten.
Der nachhaltig denkende Mensch (oft ein intensiver Teilnehmer der Aktiven Mobilität) fragt sich hier: Wie kann selbst in dichten Stadtquartieren mit heute schon hohem Aufkommen an Zufußgehenden und Radfahrenden die Priorität bei der Schaffung von Aufstellflächen so rückwärtsgewandt im Sinne einer „autogerechten“ Stadt erfolgen? Wer misst eigentlich mal nach, wie viel Aufstellfläche der Fuß- und Radverkehr benötigt? Und warum wird der Raum für den Aufenthalt von Menschen (Fußgängerinnen und Fußgängern, nicht Menschen in Blechkisten!) so vernachlässigt und oft zugunsten von fließendem und ruhendem Kfz-Verkehr „wegrationalisiert“?
Um die Straßeninsel und andere Elemente eines stadtverträglichen Straßenraums zu retten, muss endlich ein Umdenken in den verantwortlichen Köpfen erfolgen. Weg von einer einseitig auf den Autoverkehr ausgerichteten reaktiven Verkehrsplanung, hin zu einer steuernden, zukunftsweisenden Handlungsweise bei der Konzeption und Gestaltung von Verkehrsräumen, die so einen großen Teil unserer städtischen Außenräume ausmachen.
Immerhin: Es gibt auch positive Beispiele und an manchen Orten entstehen neue Querungsmöglichkeiten (hier in der Lagerstraße in Hamburg-Sternschanze gibt es erst seit ein paar Jahren eine Sprunginsel, die aber dringend nötig war), aber es sind eben gerade die Kreuzungsbereiche, wo die Belange der Fußgänger und Radfahrer in der Regel noch weitgehend vernachlässigt werden. Wir brauchen also dringend einen konsequenten und für die europäischen Städte angepassten Complete-Streets-Ansatz.