FOSSGIS 2023: Spionage-Satellitenbilder, ein OSM-Nolli-Plan, Ad-hoc-QGIS-Plugins und mehr

Auf die FOSSGIS 2023 vom 15. bis zum 18. März, der Konferenz des FOSSGIS e.V. und der OpenStreetMap-Community, hatte ich mich schon seit Längerem gefreut. Aber der Termin fiel in die Hamburger Märzferien und da hatte ein Familien-Kurzurlaub an der Mecklenburgische Ostseeküste Vorrang. Immerhin: Für eine Teilnahme am Freitag, dem letzten offiziellen Konferenztag vor dem OSM-Samstag, konnte ich noch einen Tagesausflug in die Hauptstadt machen. Die Konferenz fand auf dem Campus Adlershof der Humboldt-Universität statt.

Spannende Erkenntnisse aus Spionage-Satellitenbildern

Statt der erst geplanten Teilnahme am QField-Workshop entschied ich mich doch für Einzelvorträge der ersten Session des Tages. Markus Metz von mundialis stellte im Vortrag „Das Beste der 60er, 70er und 80er: hochauflösende Spionagesatellitenaufnahmen“ die Auswertungen und Bearbeitung seines Teams zu Satellitenaufnahmen der Keyhole-Mission von den 1960er- bis zu den frühen 1990er-Jahren vor. Dieses inzwischen freigegebene Produkt des Kalten Krieges kann heute für äußerst wertvolle Auswertungen herangezogen werden, zum Beispiel für Zeitreihen zum Urbanisierungsgrad bestimmter Gebiete. Zudem gab er spannende Einblicke in die Themen Bildgeometrie und Verzerrungen und stellte das in diesem Fall angewendete Verfahren der Rektifizierung vor. Ein schönes Beispiel für die äußerst sinnvollen zivilen GIS-bezogenen Nachnutzungsmöglichkeiten eines ursprünglich militärisch motivierten Produkts.

Ein Nolli-Plan aus OpenStreetMap-Daten

Da ich mich sehr für die detaillierte Auswertung von OpenStreetMap-Daten für den Fußverkehr interessiere, war ich sehr gespannt auf den Vortrag von Esther Scheck zum Thema „Verwendung von OSM-Daten zur Kartierung des urbanen, öffentlichen Raums“. In ihrer Masterarbeit entwickelt sie ein Verfahren, wie man aus den Daten aus OpenStreetMap (OSM) eine dem Nolli-Plan ähnelnde Darstellung entwickeln kann. Dieses historische Kartenwerk zur Darstellung öffentlich zugänglicher und unzugänglicher Bereiche im urbanen Raum dürfte vielen Stadtplanerinnen und Stadtplanern ein Begriff sein. Sie bezeichnet sich selber als „Coding-Newbie“, aber das betreffende GitHub-Repository sieht schon äußerst vielversprechend aus. Ihr Ansatz folgt aufgrund der oftmals auch kleinräumlich sehr unterschiedlichen Detaillierungs- und Vollständigkeitsgrade der OSM-Datengrundlage einem hierarchischen Ansatz. Zunächst wird nach dem access-Tag geschaut und der Wert für die Bewertung der Zugänglichkeit des entsprechenden Bereichs herangezogen. Ist das Tag nicht vorhanden, werden schrittweise weitere Kriterien, die Aussagen über die Zugänglichkeit zulassen, abgefragt. Sie zeigte dann zwei Beispiele der Auswertung im 3. Wiener Bezirk und in Berlin-Adlershof. Ein großer Unterschied zum historischen Nolli-Plan ist, dass wegen des hohen Aufkommens an fließendem und ruhendem Kfz-Verkehr der Großteil des Straßenraums als nicht zugänglich gewertet werden muss. Entlang von Straßenzügen ist somit der Anteil an öffentlich zugänglichen Flächen oftmals verschwindend und erschreckend gering.

Aus meiner Sicht ist es ein guter Zwischenstand und ein spannendes Projekt, wobei noch viele Fragen offen sind, die sicherlich nicht alle im Rahmen von einer Masterarbeit geklärt werden können. Zum Beispiel: Wie sind die Kriterien, damit der gesamte Straßenraum als zugänglich gewertet werden kann? Reicht die Auswertung des Straßentyps nach unter anderem Fußgängerzone (highway=pedestrian) oder verkehrsberuhigtem Bereich (highway=living_street) oder gibt es eine sinnvolle Möglichkeit, weitere Kriterien einzubeziehen? Und wie definiert man die Zugänglichkeit von Grünflächen im Detail? Sind zum Beispiel nur die Wege zugänglich oder auch Rasenflächen und welche Rolle spielen Rabattengeländer dabei (und sind diese bereits Bestandteil des Micromappings)? Viel Erfolg bei der Mastararbeit weiterhin!

Im Zusammenhang mit Esthers Thema ist auch die Straßenraumkarte Berlin-Neukölln auf Basis detaillierter OSM-Daten spannend, auf die ich später am Tag noch stieß.

Im Anschluss folgte ich dem Vortrag „SIGNALO – Erhebung und Darstellung von Strassenschildern mit QGIS“ von Isabel Kiefer (OPENGIS.ch). Ein spannender Einblick in ein weiteres Thema zur Kartierung von Details im öffentlichen Verkehrsraum.

Ad-hoc-Plugin-Entwicklung in QGIS

Nach der Vormittagspause stellte Dr. Marco Lechner vom Bundesamt für Strahlenschutz in seinem Vortrag „Ad hoc QGIS-Plugin Entwicklung zur Bewertung der radiologischen Lage im Ukrainekrieg“ unter anderem dar, dass man einfache Aufgaben sehr leicht mit QGIS-Plugins wie zum Beispiel dem Plugin Builder umsetzen kann, auch ohne umfangreiches Coding. Im dargestellten Fall war dies nötig, da die Daten unterschiedlicher Betreiber der Messstationen von Radioaktivität teilweise nicht in einem GeoJSON-Format vorliegen, sondern in einer davon abweichenden JSON-Struktur ausgeliefert werden. Somit ist für das schnelle Einbinden in QGIS ein Parsing notwendig.

GIS als Bestandteil des Geografie-Studiums

Kürzlich führte ich bei mir im Büro zwei Bewerbungsgespräche mit einer potenziellen Schülerpraktikantin und einem potenziellen Schülerpraktikanten. Ich hatte die Aufgabe, ihnen den Wert von Geoinformatik im Allgemeinen und Open-Source-GIS sowie Open Data im Speziellen zu erläutern. Ich habe nicht das Gefühl, dass mir das gut gelang. GIS ist heutzutage im Geografie-Studium und auch im Geografie-Schulunterricht ein nicht zu vernachlässigender Bestandteil (und manchmal denke ich, dass ich auch gerne Geografie-Lehrer mit besonderem GIS-Fokus wäre). Die didaktischen Methoden zum Vermitteln von GIS-Wissen sind dabei für Lehrende und im Fall eines Lehramtsstudiums Geografie auch für angehende Lehrerinnen und Lehrer besonders wichtig, neben dem eigentlichen Kennenlernen der Inhalte. Von daher fand ich den Vortrag zum Thema „Open Geodata and -software im Hochschulstudium der Geographie“ von Tobia Lakes sehr inspirierend. Sie berichtete vom Stand der GIS-Verwendung im Geografiestudium an der Humboldt-Universität, wo Open-Source-Tools eine große Rolle spielen. Im Lehramtsstudium mit Geografie als Fach ist GIS auch fester Bestandteil, aber hier wird ArcGIS Online verwendet, mit der Begründung, dass QGIS keine Entsprechung für eine browserbasierte GIS-Lösung ohne die Notwendigkeit lokaler Software-Installationen biete. Die Notwendigkeit, Programme auf vielen Rechnern lokal zu installieren stelle für viele Schulen eine große Hürde dar. Dies wurde anschließend allerdings sehr kontrovers diskutiert, genauso wie die Frage, ob und wann ArcGIS als proprietäre Software neben den Open-Source-Alternativen verpflichtender Bestandteil des Curriculums sein sollte.

Zuvor hatte ich noch dem ebenfalls im Detail sehr erhellenden Vortrag „Open geodata, GI-software und science am Beispiel einer räumlichen COVID-Studie“ von Tobia Lakes‘ Mitarbeiter Tillman Schmitz gehört.

Ein FOSSGIS-OSM-Zwischenfazit

Für mich war es eine zusätzliche Motivation dafür, diesen Tag nach Berlin zu kommen, dass die Modulbetreuerin meines Lieblingsmoduls „OpenGIS und verteilte Geoinformationsverarbeitung“ im UNIGIS-Masterstudium ihre Anwesenheit angekündigt hatte. Meine Hoffnung auf einen spannenden Austaush beim Mittagessen wurde nicht enttäuscht. Draußen in der Sonne unterhielten wir uns – zusammen mit einer Kollegin von ihr und einer UNIGIS-Kommilitonin – angeregt, nicht nur über unterschiedliche GIS-Dinge und die Herausforderung der Leistungsbewertung im Zeitalter von ChatGPT. Der anschließende und äußerst humorvoll gestaltete Vortrag zum Thema „16 Jahre FOSSGIS und OSM“ von Jochen Topf war dann für mich ein gelungener Abschluss meines bisher einzigen und sicherlich nicht letzten FOSSGIS-Tages.

Bei frühlingshaftem Wetter schwang ich mich aufs Faltrad von Adlershof durch die Königsheide zum S-Bahnhof Köllnische Heide, bevor ich bereits in der Mitte des Nachmittags am Südkreuz in den ICE zurück nach Hamburg stieg. Frische Luft beim Radfahren und eine gemütliche Zugfahrt boten Gelegenheit, den spannenden Konferenztag Revue passieren zu lassen und mich darüber zu freuen, dass ich mich immer mehr in der Open-Source-GIS-Welt zuhause fühle – auch, wenn ich noch nicht sicher bin, wohin mich diese Reise führen wird.

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